Perspektivwechsel durch interkulturellen Austausch

Mit einem Dialog zu Sozialer Arbeit schärfen Hochschulen aus Deutschland, Jordanien und dem Libanon ihr Profil im Sinne der Agenda 2030.

Gruppenarbeit mit Studierenden aus dem Bereich Soziale Arbeit in Jordanien

Als 2015 Hunderttausende Menschen aus Syrien vor dem Krieg in ihrer Heimat flohen, nahmen Nachbarländer wie Jordanien und Libanon – gemessen an der Einwohnerzahl – die meisten Flüchtlinge auf. Mehr als eine Million Menschen erreichten damals auch Deutschland, viele davon aus Syrien. Selbst wenn es große Unterschiede zwischen Deutschland, Jordanien und dem Libanon gibt – alle drei Länder mussten sich mit der Versorgung der Geflüchteten und ihrer Integration vor Ort auseinandersetzen. „Diese gemeinsame Thematik war unser Ausgangspunkt“, sagt Lisa Mends. Die Sozialarbeitswissenschaftlerin ist an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS) Koordinatorin des Projekts Refugees, Host Communities and the Sustainable Development Goals, das im Rahmen des DAAD-Programms „Hochschuldialog mit der islamischen Welt“ aus Mitteln des Auswärtigen Amts gefördert wird.

Innerhalb von zwei Jahren wurde eine nachhaltige Plattform für den interkulturellen und wissenschaftlichen Austausch zwischen Deutschland, Jordanien und dem Libanon geschaffen. Die FHWS kooperiert dabei mit der Deutsch-Jordanischen Universität in Amman (Jordanien), der Yarmouk Universität in Irbid (Jordanien) und der Libanesischen Universität in Beirut (Libanon) im Schwerpunkt „Soziale Arbeit“. Diese angewandte Wissenschaft hat das Ziel, soziale Probleme zu lösen oder zu verhindern und Menschen in belastenden Situationen dabei zu unterstützen, ihr Leben mit den verfügbaren Ressourcen selbstbestimmt zu gestalten.

Beitrag von Geflüchteten zur nachhaltigen Entwicklung

Die Agenda 2030 der Vereinten Nationen rückt diese Stärkung gerade von besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen in den Fokus. Sie betont, dass Flüchtlinge, Binnenvertriebene sowie Migrantinnen und Migranten einen positiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten können, unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer schwierigen Situation. Niemanden zurücklassen – genau diesen Ansatz der Agenda 2030 nimmt das deutsch-jordanisch-libanesische Projekt auf. Die Projektteilnehmenden – fortgeschrittene Studierende und wissenschaftliche Mitarbeitende –haben sich unter der Leitung von Professorinnen und Professoren intensiv mit der Flüchtlingsthematik im Kontext der Nachhaltigkeitsziele (SDGs) auseinandergesetzt.

Besuch des Flüchtlingslagers Al Awda im Libanon

Im Mittelpunkt des Projekts stehen persönlicher Austausch und Länderbesuche, damit Soziale Arbeit nicht nur aus nationaler Sicht betrachtet wird. „Der Perspektivwechsel ist unglaublich bereichernd –persönlich und für die Entwicklung der Profession Soziale Arbeit“, sagt Prof. Dr. Hannah Reich, Projektleiterin an der FHWS: „Die Erfahrung machen zu dürfen, dass das Selbstverständliche nicht selbstverständlich, sondern kulturell geprägt ist – das ist für mich zentral an diesem Projekt. Mit dieser Erfahrung hinterfragen wir eigene Perspektiven, und das alles mit dem verbindenden Ziel, ,gute‘ Soziale Arbeit zu machen.“

Geschützte Berufsbezeichnungen etablieren

Neben den intensiven Erfahrungen durch den Austausch betont Farah Al Hamouri, Projektkoordinatorin an der Deutsch-Jordanischen Universität in Amman, auch die Wirkung auf die Professionalisierung des Fachs: „Das Programm bietet einen guten Einblick, wie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter je nach länderspezifischem Kontext und nationalen Gesetzen mit Flüchtlingen arbeiten. Und es zeigt, wie wichtig es ist, Forschung in einen praxisorientierten Beruf einzubinden.“ 16 wissenschaftliche Arbeiten zu Themen der SDGs wie Gesundheitsförderung, hochwertige Bildung, weniger Ungleichheit, Geschlechtergerechtigkeit und Förderung von friedlichen und inklusiven Gesellschaften wurden von Masterstudierenden im Zuge des Projekts bereits präsentiert und veröffentlicht.

Die Studiengänge zu Sozialer Arbeit auf den Stand der internationalen Wissenschaft zu heben und ihre gesellschaftlich bedeutende Rolle anzuerkennen, ist für das Fach insgesamt wichtig, in Jordanien und Libanon aber in besonderem Maße. Dort sind die Hochschulen erst dabei, geschützte Berufsbezeichnungen für Absolventinnen und Absolventen der Sozialen Arbeit zu etablieren und die Curricula entsprechend weiter zu entwickeln. Noch arbeiten viele Quereinsteigerinnen und -einsteiger in dem Bereich. Das Drei-Länder-Projekt trägt dazu bei, den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Sozialen Arbeit professionell auszubilden, damit sich die jungen Fachleute in ihren Gesellschaften als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren in verantwortungsvollen Positionen engagieren können. Und damit zum Erreichen der SDGs beitragen.

 

Steckbrief: Refugees, Host Communities and the Sustainable Development Goals

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